Machtkampf bei VW lässt Diess mit weniger Kontrolle zurückIm Machtkampf bei Volkswagen zeichnet sich eine Lösung ab. Laut Insidern kann Volkswagen-Chef Herbert Diess den Wolfsburger Konzern weiter führen, muss aber seine Macht abgeben. Die Lösung sieht offenbar unter anderem vor, dass VW-Markenchef Ralf Brandstätter in den Konzernvorstand aufsteigt.

Sowohl die Nachrichtenagentur Reuters als auch das Handelsblatt zitieren konzernnahe Quellen, „der Streit wird beigelegt und Diess bleibt Vorstandsvorsitzender“. Diess, der 2015 Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen wurde und den Konzern seit 2018 leitet, wurde in der Vergangenheit immer wieder für seinen Führungsstil kritisiert. Der aktuelle Streit geht auf eine Aufsichtsratssitzung Ende September zurück: Diess hatte Pläne zum Abbau von mehr als 30.000 Stellen im Stammwerk Wolfsburg vorgelegt, die offenbar ohne Beteiligung von Betriebsrat oder Aufsichtsrat ausgearbeitet wurden.

In der Folge entzogen nicht nur der Betriebsrat, sondern auch das Land Niedersachsen als zweitgrößter Aktionär Diess das Vertrauen. Der Managementstreit hatte das Unternehmen seit Wochen blockiert, wichtige Verhandlungen etwa zur Werksvergabe sollen ohne Diess geführt worden sein.

Der unter Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch ausgearbeitete Kompromiss sieht vor, dass dies auch so bleibt: Diess soll Macht im operativen Geschäft abgeben und sich auf strategische Fragen des Konzerns konzentrieren. Ralf Brandstädter soll mehr Verantwortung im Tagesgeschäft übernehmen und in die Konzernleitung aufsteigen. Brandstädter war bereits 2020 die Nachfolge von Diess als Vorsitzender des Markenvorstands von Volkswagen angetreten, als dieser nach einem früheren Streit mit dem Aufsichtsrat seine Doppelfunktion als Konzern- und Markenchef abgeben musste.

An dem Kompromiss dürften jedoch zwei weitere Vorstandsmitglieder beteiligt sein: Der 63-jährige VW-Chefrechtsberater Manfred Döss soll laut Handelsblatt die Compliance- und Rechtsabteilung übernehmen. Diess hätte die Abteilung, die derzeit von Hiltrud Werner geleitet wird, am liebsten abgeschafft. Die Abteilung sei im Zuge der Aufarbeitung des Dieselskandals entstanden und soll nach Ansicht von Diess nun überflüssig sein. Mit Döss im Vorstand bekommt Diess keinen Vertrauten, sondern einen weiteren Gegner: Döss steht den Familien Porsche und Piëch nahe, er sitzt auch im Vorstand der Porsche SE. Die Familien vertrauen darauf, dass Döss ihre eigene Meinung im Vorstand vertritt – auch gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden. Damit soll weiterer Einfluss auf Diess ausgeübt werden.

Die Berufung von Döss in den Konzernvorstand ist nur aufgrund einer anderen Personalangelegenheit möglich: Mit dem Ausscheiden von Hiltrud Werner wäre der Vorstand wieder rein männlich gewesen. Allerdings konnte sich der Aufsichtsrat offenbar auf das ehemalige Deutsche-Börse-Vorstandsmitglied Hauke ​​Stars als Leiter der neu geschaffenen IT-Abteilung einigen – damit würde es wieder eine Frau im Konzernvorstand geben. Das widerspricht aber auch der Linie von Diess: Laut Handelsblatt- Bericht ist die separate IT-Abteilung vor allem dem ehemaligen Betriebsratschef Bernd Osterloh zu verdanken, Diess selbst soll im kleinen Kreis gesagt haben, dass er eine separate IT-Abteilung für unnötig hält .

Sollte der Kompromiss in der wichtigen Aufsichtsratssitzung am Donnerstag gebilligt werden, wäre nicht nur die Werksplanung für das kommende Jahr aufgestellt, sondern auch die Zusammensetzung des Vorstands. Mit dieser Entscheidung würde Herbert Diess zwar weiterhin die strategischen Weichen stellen, aber nicht mehr an deren Umsetzung beteiligt sein. Ob Diess diesen Machtverlust hinnimmt, ist offen. Daran gibt es laut Handelsblatt zumindest in der Familie Porsche/Piëch Zweifel.