Während Tesla die Kunden mit ihrem "Autopiloten" begeisterte, kamen alle anderen Automobilentwickler in Zugzwänge, denn Tesla war den renommierten deutschen Entwicklern weit voraus... oder?
Volvo Autopilot Konzept (Quelle: Volvo)
Das ist nur die halbe Wahrheit!
Fest steht, Tesla hat das autonome Fahren salonfähig gemacht und den Startschuss zum Entwicklungswettrennen dessen gegeben.
Geschlafen hat die Konkurrenz jedoch nicht. Während Tesla ein System entwickelt hat, dass hauptsächlich auf der Auswertung von Videoaufnahmen durch einen cleveren Algorithmus bestand, haben andere Automobilhersteller die Fahrerassistenzsysteme weiterentwickelt - welche Grundlage für zukünftiges autonomes Fahren ist.
Doch nun der Reihe nach:
Was sind die gängigsten Fahrerassistenzsysteme überhaupt und wie funktionieren sie?
Fahrerassistenzsysteme greifen teilautonom oder autonom in Antrieb, Steuerung (z. B. Gas, Bremse) oder Signalisierungseinrichtungen des Fahrzeuges ein oder warnen durch geeignete Mensch-Maschine-Schnittstellen den Fahrer kurz vor oder während kritischer Situationen. Derzeit sind die meisten Fahrerassistenzsysteme so konzipiert, dass die Verantwortung beim Fahrer bleibt (er also autonome Eingriffe in der Regel „übersteuern“ kann) und der damit nicht entmündigt wird. Gründe hierfür sind vor allem:
- Die rechtliche Lage, nach der der Fahrer jederzeit die Verantwortung für die Führung seines Fahrzeuges hat und es jederzeit beherrschen können muss (Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr 1968, Art. 8, Absatz 5): Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen können.
- Die noch nicht ausreichende Zuverlässigkeit vieler Systeme. Besonders anspruchsvolle Aufgaben sind hierbei die Erkennung und Klassifikation von Objekten und die Interpretation der Szenerie im Umfeld des Fahrzeuges. Derzeitig verfügbare Sensoren und bekannte Signalverarbeitungsansätze können noch keine zuverlässige Umfelderkennung unter allen möglichen Fahrzuständen und Wetterbedingungen bieten. Assistenzsysteme bieten daher nur eine begrenzte Unterstützung in bestimmten, beherrschbaren Situationen (Beispiel Abstandsregeltempomat: Arbeitsbereich oft auf bestimmte Geschwindigkeitsbereiche eingeschränkt, keine Berücksichtigung stehender Objekte usw.).
- Die fehlende Akzeptanz für „entmündigende“ Systeme bei Käufern solcher Fahrzeuge.
Oder anders formuliert: „Fahrerassistenzsysteme“ sind die Fähigkeit eines Fahrzeugs, auf statische und dynamische Verkehrssituationen zu reagieren. „Statische Verkehrselemente“ sind z. B. Verkehrsbeschilderungen, wie Geschwindigkeitsbegrenzung oder Fahrbahnmarkierungen. „Dynamische Verkehrselemente“ sind dementsprechend bewegliche Komponenten im Verkehr, wie z. B. andere fahrende Autos.
Teilautomatisiertes Fahren durch Assistenzsysteme
Durch Fahrerassistenzsysteme vom Tempomat bis hin zur automatischen Einparkhilfe ist das Fahren heutzutage schon teilautomatisiert. Der Fahrer sitzt weiterhin am Steuer und bleibt jederzeit Herr der Lage. Theoretisch jedoch machen es Technologien wie Sensoren, Kamera, GPS und LIDAR (Light Detection and Ranging) dem Auto bereits jetzt schon möglich viele der anfallenden Fahreraufgaben zu übernehmen.
Der Zweck von Fahrerassistenzsystemen ist erhöhte Sicherheit, Komfort und Ökonomie des Fahrens. Studien des ADAC kommen zu dem Fazit, dass Fahrerassistenzsysteme zu einem erheblichen Rückgang von Unfällen mit Personenverletzungen führen. Die Systeme greifen auf unterschiedliche Sensoren zurück, um dem Fahrer zu assistieren.
Überblick im Verkehr mit Radar und LIDAR
Eine gängige Variante der Automobilhersteller ist das Radarsystem. Die Radare haben bis zu 250 Meter Entfernung im Blick und können so Gefahrensituationen erkennen und entsprechend eingreifen. So misst das ACC (Adaptive Cruise Control) System z.B. den Abstand zum nächsten Fahrzeug. Falls der Abstand zu klein wird, bremst das Auto automatisch ab. Außerdem können Radare einen Winkel von bis zu 240° abdecken und somit z. B. beim Ein-und Ausparken durch Alarmsignale assistieren oder das Parken vollständig übernehmen. Im Falle eines Parkassistenten setzen die meisten Hersteller auf Ultraschallsensoren, dessen Produktion wirtschaftlicher ist.
Mercedes-Benz S500 Intelligent Drive (Quelle: Daimler)
Laser Scanner auf Infrarot Basis bzw. LIDAR können Radarsysteme ersetzen. Anstatt Radiowellen arbeiten sie mit Laserstrahlen. Laut Expertenmeinung liefert das LIDAR System eine schärfere Auflösung und damit genauere Bilder als das Radarsystem. Es wird bereits für autonome Versuchsfahrzeuge eingesetzt. So befindet sich auf dem Dach des Google Driverless Car ein rotierendes LIDAR Gerät. Serienmäßig wird diese Technologie bereits von Continental entwickelt und in Modellen von Ford, Skoda und Fiat eingesetzt. Das System ermöglicht u. a. einen Notbremsassistenten bei niedrigen Geschwindigkeiten, denn die Sichtweite des LIDAR ist geringer als bei einem Radar.
Audi LIDAR System (Quelle. Audi)
Mit Stereokamera sicherer durch den Verkehr
Eine weitere Technologie, die die Notwendigkeit von Fahreraugen strittig macht, ist die Stereokamera. Im Hinblick auf ihre Entwicklung nimmt der Konzern Daimler eine herausragende Position ein. Die Kamera kann wie das menschliche Auge ein Bild in 3D erfassen. Mit Hilfe eines Prozessors werden die Bewegung und Richtung der Objekte analysiert und Prognosen für die nächsten 2 Sekunden im Verkehrsgeschehen erstellt. Diese Technologie heißt 6D Vision und wurde von Daimler Ingenieuren entwickelt. Es ermöglicht einem Fahrzeug Gefahren autonom zu erkennen.
Das System kann beispielsweise anhand von Vektoren berechnen, ob Kollisionsgefahr besteht. Es kann auch durch Bewegungsrichtungen erahnen, dass z. B. ein Kind, das am Straßenrand spielt, auf die Fahrbahn des Autos läuft und in einem solchen Fall eine Notbremsung oder ein Ausweichmanöver einleiten. Die Stereokamera ist heute schon auf dem technischen Stand die visuelle Wahrnehmung eines Fahrers zu übertreffen und somit Unfälle zu vermeiden.
Die Stereokamera ist eine wichtige Errungenschaft des autonomen Fahrens und Akteure der Automobilindustrie sagen ihr eine große Rolle für die Zukunft voraus. Dennoch bleibt ein Wehrmutstropfen. Bei Dunkelheit oder schlechter Sicht durch z. B. Regen, büßt die Kamera wie das menschliche Auge ihr Sehvermögen ein.
Intelligent Drive System vom Daimler
Anhand des Intelligent Drive Systems in der neuen S-Klasse von Daimler kann dargestellt werden wie die verschiedenen Sensoren zusammenspielen: Dank einer 360° Stereokamera sowie zahlreichen Radarsensoren bietet das Intelligent Drive System eine umfangreiche Fahrerassistenz.
Mercedes-Benz S500 Intelligent Drive (Quelle: Daimler)
Das System verfügt über einen Lenk-Assistenten sowie Stop&Go Piloten bei Schrittgeschwindigkeit. Der Fahrer kann also z. B. im Stau das Fahrzeug autonom lenken, anfahren und bremsen lassen. Ein weiteres Feature in der neuen S-Klasse ist der Spurhalte-Assistent. Wenn die Kameras ein Überfahren der Spur detektieren, wird der Fahrer nicht nur durch Lenkradvibration vorgewarnt, sondern das Fahrzeug greift im Notfall selbst in die Lenkung ein, um das Auto wieder in die richtige Bahn zu lenken.
Automobilhersteller arbeiten stetig an Assistenzsystemen
Daimler ist nicht der einzige Automobilhersteller, der in Zukunft auf teilautomatisiertes Fahren setzt. Ford und General Motors werden mit einem ähnlichen System in Serie gehen. Sie nennen sich Traffic Jam Assistent und Super Cruise. Auch Audi hat den bereits 2015 eingeführten Q7 mit zahlreichen Assistenzsystemen ausgestattet.
Es lässt sich also ein Trend hin zu Fahrerassistenzsystemen feststellen. Die Fahrerassistenzsysteme erlauben zwar noch kein autonomes Fahren, aber sie ermöglichen bereits jetzt schon, dass der Fahrer bei Bedarf das Fahrzeug fahren lassen kann. Das Fahren ist also bereits teilweise automatisiert. Außerdem lässt der technologische Fortschritt erkennen, dass das autonome Fahren bereits möglich ist und ausgiebig getestet wird.
In Studien wird bereits über „automatische Ausweichmanöver“ nachgedacht, wobei die sichere und eindeutige Situationserkennung, die kurzzeitige Übernahme der Fahrzeugführung sowie die erfolgreiche Rückgabe an den Fahrer ein schwieriges Unterfangen ist. Neben der sicheren Erkennung der Umfeldsituationen sind zudem in kürzester Zeit verschiedene Strategien für geeignete Ausweichmanöver zu erarbeiten und zu bewerten. Auch ist gerade bei autonomen Eingriffen die Frage der Produkthaftung nicht zu unterschätzen. Bei allen Assistenzsystemen ist die Zusammenarbeit von Ingenieuren, Psychologen, Ergonomen und Juristen notwendig.
Der Vision von Volvo zum Thema Autopilot sieht übrigens so aus: